Die Transportindustrie ist die Kraft, die hinter der Globalisierung steckt und ist zu einem Beschäftigungsmotor der weltweiten Wirtschaft geworden. Aber das Transportgeschäft ist ein sehr hemdsärmliches Geschäft – normalerweise nichts für Absolventen von Elite-Universitäten oder Technik-Freaks.
Doch das ändert sich gerade. Wie kaum in einer anderen Industrie wird die Digitalisierung die Logistikunternehmen verändern. Das ist inzwischen auch auf den Management-Ebenen angekommen. Bei Deutsche Post DHL Group, mit rund 520.000 weltweit Beschäftigten eine der Perlen der deutschen Wirtschaft, beispielsweise versucht man mit neuen Geschäftsmodellen die Marktführerschaft zu behalten und Digital Natives anzulocken.
Die Tech-Giganten treiben die Innovationen in der Logistik-Industrie
Die Logistik-Industrie ist ein riskantes Geschäft. Politische oder naturbedingte Krisen wirken sich unmittelbar auf den Handel und damit den Bedarf an Transportleistungen aus. Die Margen sind niedriger als in anderen Industrien, Überkapazitäten drücken auf die Preise, zunehmende Umweltauflagen erhöhen die Kosten, die notwendige Infrastruktur, wie Straßen und Gleise, ist überlastet.
Jetzt bedroht eine neue Technologie den Markt: 3D-Druck. Die Technologie existiert schon seit ca. 20 Jahren und wurde bisher nur zur Entwicklung von Prototypen eingesetzt. Inzwi-schen ist die Technologie jedoch weit fortgeschritten. Immer mehr und immer komplexere Produkte lassen sich drucken, inzwischen sogar Lebensmittel, ganze Häuser und Karosserien von Autos. Damit kann die Produktion einer Ware dort erfolgen, wo sie benötigt wird – und der Transport entfällt. Erste Unternehmen beginnen damit ihre Ersatzteilversorgung auf 3D-Druck umzustellen. Jetzt reagiert auch einer der Tech-Giganten: Mit seinen 3D-Printing-Trucks will Amazon die Produktion von Waren gleich selbst übernehmen und sie dann auch noch an den Kunden ausliefern.
Noch größeres Veränderungspotenzial wird dem Internet der Dinge (IoT) zugeschrieben. Je-de Maschine ist an das Internet angebunden und kann Informationen senden und empfan-gen. Es entsteht ein globales Nervensystem der totalen Vernetzung. Das Internet der Dinge ermöglicht den Informationsaustausch aller am Supply Chain Prozess beteiligten Akteure: eine verbesserte Planung, Kontrolle und Steuerung zu Gunsten der Unternehmen und Kunden sind die Folge. Informationen ermöglichen Innovationen, bessere Entscheidungen, beschleunigen die Prozesse und reduzieren die Kosten bei gleichzeitig steigender Kundenzufriedenheit. Informationen werden deshalb ein entscheidender Produktionsfaktor und müssen in jeder Unternehmensstrategie eine wichtige Komponente darstellen. Aber wieder sind es die Tech-Giganten in den USA, die zuerst mit neuen Logistik-Konzepten reagieren. Amazon erhofft sich vom Einsatz von „connected“-Drohnen die Lieferzeit in Städten deutlich zu reduzieren (PrimeAir). Rolls Royce entwickelt „connected“-Drohnen-Container-Schiffe und Google das selbst fahrende Auto – natürlich auch „connected“. Wearable devices von Google revolutionieren die Art, wie die Logistik-Mitarbeiter mit ihrer Umgebung interagieren: benötigte Waren in den Regalen werden mittels Google Glass angezeigt, eingescannt und automatisch verbucht.
Bleiben die traditionellen Logistiker auf der Strecke?
Kosten- und Wettbewerbsdruck werden die Digitalisierung weiter vorantreiben. Die Wertschöpfungskette wird sich dramatisch verändern und die Bedeutung von datenbasierten Services wird weiter steigen. Mobilität und Transport sind einfache Ziele der digitalen Wirtschaft und werden die etablierten Unternehmen in den direkten Wettbewerb mit den digitalen Unternehmen führen. Die Tech-Giganten haben gerade erst begonnen, den Markt zu transformieren. In anderen Branchen musste man die Erfahrung machen, dass sich daraus in kürzester Zeit monopolartige Stellungen bilden können. Dem stehen viele etablierte Unter-nehmen geradezu hilflos gegenüber. In der „alten“ Welt kannten sie Ihre Konkurrenten und deren Stärken und Schwächen – in der digitalen Welt kommen die „neuen“ Platzhirsche nun aus einer anderen, der High-Tech Welt.
Dies bestätigt auch eine kürzlich veröffentlichte Studie. In dieser erwarten 61% der befrag-ten Unternehmensvertreter das Entstehen weiterer Monopole und 73% das Auftreten neuer digitaler Wettbewerber. 69% glauben, dass der digitale Kundenzugang zukünftig erfolgskritisch sein wird. (Quelle: Geschäftsmodelle in der digitalen Wirtschaft. Müller, Simon. C., uva..: In: Studien zum deutschen Innovationssystem, 13/2016)
Digitale Start-ups oder Digitale Transformation
Grundsätzlich muss bei der digitalen Transformation zwischen der Entwicklung einer neuen digitalen Organisation und der Digitalisierung der traditionellen Organisation unterschieden werden.
Der Aufbau eines digitalen Start-ups bringt einige Vorteile mit sich. So sind diese meist schneller, agiler, innovativer und kostengünstiger als die traditionellen Organisationen. Das liegt unter anderem daran, dass man sich nicht mit Altsystemen und -strukturen beschäftigen muss. Genauso viel zählt, dass auch alteingesessene Gewohnheiten bei der Belegschaft nicht verändert werden müssen. Stattdessen kann man hochqualifizierte und spezialisierte Mitarbeiter rekrutieren, flache organisatorische Strukturen etablieren und auf Basis verlässlicher Informationen entscheidungsfähig sein. Technisch kann man auf die aktuellste Technologie setzen – häufig auf IT-Lösungen aus der Cloud – und damit effiziente Kostenstrukturen schaffen.
Andererseits fehlt es den digitalen Start-ups zu Beginn häufig am notwendigen Branchen-Knowhow, an Partnerorganisationen und einer ausreichenden Kundenbasis. Daraus folgt, dass man zunächst nur über geringe Einnahmenquellen verfügt und viel Geld in die Bekanntheit des Unternehmens stecken muss, um die kritische Masse an Kunden zu erreichen.
Mit Mach 1 in die digitale Welt
Dies galt auch für Saloodo! und zusätzlich gab es hier weitere Herausforderungen, da die Logistik digitale Innovationen langsamer eingeführt hat als andere Branchen. Doch nach mehr als einem Jahr auf dem Markt, wechseln immer mehr Verlader und Transportunternehmen zu Saloodo!. Mit seinem digitalen Marktplatz für Logistikleistungen positioniert sich das Kölner Start-up zwischen Logistikdienstleistern und Kunden. Dabei werden drei zentrale Probleme des Straßengüterverkehrs gelöst:
- Geringe Transparenz aufgrund des stark fragmentierten Marktes mit vielen Kleinstanbietern von Transportleistungen
- Geringe Marge verursacht durch hohe administrative Kosten und geringe IT Unterstützung
- Optimierung der Transportauslastung und Reduktion von Belastungen für Umwelt und Infrastruktur
Im Daily Business ist es wichtig für Saloodo!, sich eine Start-up-Mentalität zu bewahren, innovativ und agil zu sein: „Wir haben uns unsere eigene Kultur geschaffen, die viel mehr an die von Google erinnert als an ein Logistik-Unternehmen. Bei all den Herausforderungen, denen wir als Start-up jeden Tag begegnen, fokussieren wir uns immer auf die Lösung und nicht das Problem. Inzwischen interessieren sich auch andere traditionelle Organisationen dafür, wie wir arbeiten und diese Resultate in so kurzer Zeit erreichen konnten“, erklärt Thomas Grunau, CEO von Saloodo!.
Online-Marktplatz: The winner takes it all
Wie kaum ein anderer Markt wird die Logistikbranche durch die Digitalisierung transformiert. Ursächlich dafür sind die vielen Ineffizienzen, die sich aufgrund der Vielzahl der Akteure entlang der Wertschöpfungskette und dem nicht durchgängigen Informationsaustausch ergeben. Diesen Sachverhalt versuchen Start-ups, Logistikkonzerne und Fahrzeughersteller auszunutzen und mit digitalen Lösungen und Geschäftsmodellen den etablierten Logistikern das Leben zu erleichtern. Wenn sie so ihre Transporter besser auszulasten, die Routen optimieren, ihre Administrationskosten senken, ihre Liefertreue erhöhen oder zum richtigen Zeitpunkt schlicht den richtigen Preis verlangen, zahlt sich das Umschwenken auf komplett digitale Prozesse auf jeden Fall aus – selbst wenn es zunächst schwerfallen sollte, jahrelang etablierte Prozesse komplett zu verändern.
Für die Start-ups, Marktplätze, Logistiksystemanbieter kann es sich ebenfalls lohnen – nur nicht für alle. Denn nicht alle können an der Spitze der Wertschöpfungskette stehen und den Löwenanteil kassieren. Dies wird nur einigen Wenigen vorbehalten bleiben. Meist etablieren sich monopolartige Strukturen, denn die Kunden wollen sich nicht auf verschiedenen Marktplätzen tummeln oder unterschiedliche Systeme bedienen. Sie werden sich danach richten, wo sie den höchsten Nutzen zu vertretbaren Kosten finden – und der Nutzen ist meist dort am höchsten, wo man die besten Angebote erhält und die administrativen Probleme gelöst werden. Warum dann noch woanders hingehen?
Quellen:
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Iansiti, M. & Lakhani, K.R. (2014): Digital Ubiquiy: How Connections, Sensors, and Data Are Revolutionizing Business. Harvard Business Review (No. 2014).
Lakhani, K. R., Herman, K., & Snively, C. (2014): The thermostat industry: transformation from analog to digital. Harvard Business School Technical Note 615-038
Müller, Simon C., Böhm, Markus uva. 2016: Geschäftsmodelle in der digitalen Wirtschaft. In: Studien zum deutschen Innovationssystem Nr. 13-2016
Monitoring-Report Digitale Wirtschaft 2014: Innovationstreiber IKT. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: www.bmwi.de
Fahrerlose LKW könnte ich noch erleben. Abgerufen am 20.4.2017 http://www.wiwo.de/unternehmen/auto/vw-vorstand-andreas-renschler-fahrerlose-lkw-koennte-ich-noch-erleben/14574352.html
Uhl, Axel, Gollenia, Lars: Digital Enterprise Transformation. A business driven approach to leveraging innovative technology. Gower 2014 Venture Capital: Start-ups rollen die Logistikbranche auf.
Wir werden mehr und mehr zum Anbieter von Transportdienstleistungen. Abgerufen am 20.4.2017 http://www.handelskammer.se/de/nyheter/wir-werden-mehr-und-mehr-zum-anbieter-von-transportdienstleistungen