6 Schritte zu mehr Resilienz in den Lieferketten

Die wirtschaftlichen Unruhen, die durch die Pandemie und nun auch durch den Konflikt in der Ukraine ausgelöst werden, haben viele Schwachstellen in den weltweiten Lieferketten offengelegt.

Deutschland

Schon vor dem ukrainisch-russischen Konflikt hatte Deutschland einen Anstieg der Energiekosten um 14,3 Prozent zu verzeichnen, und auch die Auswirkungen auf die Benzinpreise und die Lebensmittelpreise führten dazu, dass die Inflationsrate des Landes Ende 2021 auf 4,1 Prozent anstieg – dem höchsten Stand seit über 30 Jahren. Seit dem 24. Februar 2022 werden diese Zahlen voraussichtlich sogar noch weiter steigen: Eine aktuelle Studie des ifo Instituts – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München zeigt, dass Deutschland ein längerfristiger Anstieg der Inflationsrate bevorsteht. Folgt man den Inflationserwartungen der in der Studie befragten Ökonomen, so ist mit einer längerfristig höheren Inflationsrate für Deutschland zu rechnen.

Die häufigsten Ursachen für den aktuellen Inflationsanstieg sind steigende Energie- und Rohstoffpreise – verschärft durch den russischen Angriff auf die Ukraine. Auch Versorgungsengpässe und pandemiebedingte Effekte (Nachholeffekte beim Konsum bei gleichzeitiger Verknappung des Angebots) werden von Ökonomen häufig angeführt. Sie sehen auch in der Geldpolitik der EZB eine wesentliche Ursache für die aktuellen Verbraucherpreissteigerungen in Deutschland.

China

Im Herbst 2021 drohten wichtigen Bereichen der chinesischen Wirtschaft im wahrsten Sinne des Wortes, die Lichter auszugehen. Videos in sozialen Medien zeigten eine Familie, die nach dem Stromausfall in einem Aufzug eingesperrt war, und mehrere Menschen berichteten, dass sie sich aufgrund der Umstände wie in Nordkorea fühlten. Wegen der Stromausfälle, die zur Schließung von Betrieben und zu langen Warteschlangen in den Häfen geführt haben, haben die Investmentbanken Nomura und Goldman Sachs ihre Wachstumsprognosen für die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt bis Ende 2021 nach unten korrigiert. Laut einer neuen Umfrage der amerikanischen Handelskammer in Südchina musste ein Fünftel der Unternehmen in Südchinas Industrie im vergangenen Jahr auf dem Höhepunkt der Energiekrise einen Verlust von mehr als 40 Prozent der Produktionskapazität hinnehmen.

Vereinigte Staaten von Amerika

Kurz vor Weihnachten 2021: Hunderte von Containerschiffen lagen an der Küste von Los Angeles vor Anker, bereit, ihre Ladung zu löschen. Dies war ein damaliger Weltrekord. Mehrere Unternehmen in den Vereinigten Staaten rechneten für die Feiertage 2021 mit Engpässen und Preiserhöhungen. Einzelhändler warnten, dass es bei lebensnotwendigen Gütern wie Toilettenpapier erneut zu Engpässen komme. Auch heute steigen die Ölpreise aktuell wieder auf den höchsten Stand seit 2008, nachdem die USA angekündigt hatten, die Einfuhr von russischem Öl zu verbieten.

Was haben diese Szenarien gemeinsam?

Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt davon, wie aktuell jedes einzelne Land und vor allem unsere Weltwirtschaft mit einem „perfekten Sturm“ konfrontiert wird, der durch Pandemien und konfliktbedingte Unterbrechungen der Versorgungskette verursacht wird. Sogenannte „once-in-a-lifetime“-Unterbrechungen unserer globalen Versorgungskette haben wir bereits mehrfach erlebt – mindestens viermal in den letzten 12 Jahren. Auf den Tsunami, das Erdbeben und die Nuklearkatastrophe in Japan im Jahr 2011 folgte ein Handelskrieg zwischen den Vereinigten Staaten und China, der 2018 seinen Höhepunkt zu erreichen schien, und nun ist die COVID-19-Epidemie bereits im dritten Jahr. Sie gipfelt in einem Konflikt zwischen der Ukraine und Russland, der ein noch nie dagewesenes Ausmaß an Sanktionen mit sich bringt, die sich auf unsere globale Wirtschaft auswirken werden. Der internationale Dominoeffekt der globalen Abhängigkeiten von Unternehmen in der Ukraine und in Russland ist bereits spürbar.

Eine gewisse Widerstandsfähigkeit der Lieferketten von Unternehmen ist überlebenswichtig geworden. Warum haben einige Unternehmen diese Fähigkeit und andere nicht? Schauen wir uns einige Taktiken für mehr Resilienz an:

Aufbau einer widerstandsfähigen Lieferkette in 6 Schritten

1. Identifizieren Sie Ihre eigenen Schwächen

Es kann eine Menge Nachforschungen kosten, um herauszufinden, wo die Bedrohungen liegen und wie und ob Ihr Unternehmen sich vor diesen Gefahren schützen kann. Dazu gehört nicht nur die Erfassung Ihrer ersten und zweiten Supply Chain Tiers, sondern auch die Aufnahme der gesamten Lieferkette. Da dies ein zeit- und kostenaufwändiger Prozess ist, konzentrieren sich die meisten großen Unternehmen nur auf die wichtigsten Direktlieferanten, auf die ein erheblicher Teil ihrer Ausgaben entfällt. Eine plötzliche Unterbrechung, die Ihr Unternehmen zum Stillstand bringt, kann jedoch weitaus teurer sein als eine gründliche Untersuchung der kompletten Lieferkette. Ziel des Mapping-Ansatzes sollte es sein, die Lieferanten in drei Kategorien einzuteilen: geringes, mittleres und hohes Risiko. Es wird empfohlen, Kennzahlen wie die Auswirkungen auf die Einnahmen bei Ausfall einer bestimmten Quelle, die Zeit, die die Fabrik eines bestimmten Lieferanten benötigt, um sich von einer Unterbrechung zu erholen, und die Verfügbarkeit von Alternativen zur Erreichung des Status quo zu verwenden. Wenn ein ganzer Wirtschaftszweig von einem ausfallbedingten Engpass betroffen ist, ist es von entscheidender Bedeutung festzustellen, wie lange Ihr Unternehmen einen Versorgungsschock aushalten kann, ohne die Produktion einzustellen, und wie schnell sich eine ausgefallene Abteilung erholen oder durch andere Standorte ersetzt werden kann. Wenn Ihre Produktionskapazitäten flexibel sind und je nach Bedarf umorganisiert und neu zugewiesen werden können, sind die Antworten auf diese Fragen wahrscheinlich eher positiv als negativ. Wenn Ihre Produktionskapazitäten aus hochspezialisierten und schwer zu reproduzierenden Vorgängen bestehen, werden die Antworten eher negativ ausfallen. Sie können dieses wertvolle, gesammelte Wissen nutzen, um die Risiken in Ihrer Lieferketten zu mindern, indem Sie Ihre Lieferanten diversifizieren oder kritische Ressourcen und Rohstoffe bevorraten.

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2. Diversifizierung der Lieferkette

Manche Unternehmen bevorzugen einen einzigen Lieferanten, um Kosten zu sparen oder ihre Versorgung zu sichern, doch diese Strategie birgt viele Risiken. Wenn dieser Lieferant vorübergehend ausfällt, kann dies die gesamte Lieferkette empfindlich beeinträchtigen. Das Lieferantenmanagement kann für einige Hersteller bei einem Nachfrageschub über Leben und Tod entscheiden. Schon vor der Pandemie war es wichtig, seine Lieferantennetze zu diversifizieren, und jetzt ist es noch viel wichtiger. Denn, Diversität gewährleistet einen stetigen Materialfluss. Angesichts von Pandemien oder globalen Konflikten müssen neue Möglichkeiten zur Diversifizierung der Lieferantennetze ständig geprüft werden. Wenn Sie diese Maßnahmen noch nicht ergriffen haben, ist es an der Zeit, neue Supplier zu gewinnen und die zukünftige Flexibilität Ihrer Lieferkette zu verbessern. Eine Liste lokaler Lieferanten stellt sicher, dass Ihre Lieferkette auch in einer globalen Krise, die den grenzüberschreitenden Handel beeinträchtigt, nicht unterbrochen werden würde.

3. Bauen Sie Beziehungen zu Ihren Lieferanten auf

Um die Stabilität Ihrer Lieferkette zu gewährleisten, sollten Sie Ihre Geschäftspartner wirklich gut kennen. Achten Sie bei der Auswahl Ihrer Lieferanten auf deren Bezugsquellen und den Mehrwert, den sie insgesamt bieten. Günstigere Preise können mit geringeren Standards einhergehen, was sich in Form von Prozessinstabilitäten oder einer unterdurchschnittlichen Kundenzufriedenheit äußern kann. Oft ist eine Kosteneinsparung nicht die beste Option zur Stärkung der Lieferketten. Sobald Sie mit Suppliern verhandeln, sollte Ihr erstes Ziel sein, deren Vertrauen zu gewinnen. Ein ehrlicher und offener Umgang mit ihnen wird sie motivieren, hochwertige Produkte zu produzieren. Was als routinemäßige Kommunikation über den aktuellen Bedarf und die Prognosen beginnt, kann sich zu starken Partnerschaften entwickeln, die die Servicequalität und die Kundenzufriedenheit enorm verbessern. Diese sind in schwierigen Phasen überlebenswichtig.
Wenn der Markt Ihre Lieferkette zu schwächen droht, Sie aber eine solide Beziehung zu Ihren Lieferanten haben, werden diese Kontakte viel motivierter sein, gemeinsame Lösungen zu finden und sich gegenseitig zu unterstützen.

4. Seien Sie Herr über Ihre Logistik

Ein weiterer Bereich, auf den Sie sich vorbereiten müssen, ist Logistik und Transport. Auch hier müssen die Pläne zur Gewährleistung der Betriebskontinuität überprüft und die Risiken analysiert werden. Können bei einem Ausfall von Transportleitungen Ausweichmöglichkeiten genutzt werden? Welche Auswirkungen hat das auf Kosten und Vorlaufzeiten? Es ist wichtig, Ihre Logistikkapazitäten im Voraus zu überprüfen und mögliche Routen zu optimieren. Optimieren Sie Ihre Logistikkapazitäten? Haben Sie in Erwägung gezogen, lokale Zulieferer zu nutzen? Wenn nicht, sollten Sie die Transportrouten untersuchen und feststellen, ob Anpassungen vorgenommen werden können. Die derzeitige Wirtschaftslage birgt viele Unsicherheiten. Wenn Sie noch keinen Plan haben, wie Sie sich an die bestehenden globalen Herausforderungen anpassen können, sollten Sie dies jetzt unbedingt tun.

5. Wie schnell können Sie im Ernstfall entscheiden?

Wenn der Markt unbeständig ist, reichen die üblichen Kommunikationsprozesse nicht aus. Das Team rund um  die Lieferkette – das sich aus Produktions-, Beschaffungs-, Logistik- und Vertriebsmanagern zusammensetzen kann – muss seinen Kommunikationsbedarf ermitteln und sich so oft wie nötig treffen, insbesondere wenn sich der Markt schnell verändert. Es ist hilfreich, aktuelle Informationen über Einkauf, Produktion und Versand stets zur Hand zu haben. Das Beschaffungsmanagement könnte auch einen Notfallplan erstellen, um den Entscheidungsprozess in Krisenzeiten zu beschleunigen. Ein solider Notfallplan hilft Ihnen, Ihre Mitarbeiter zu schützen, die Geschäftskontinuität zu gewährleisten und den Schaden am Unternehmensvermögen im Notfall zu minimieren. In Bezug auf das Coronavirus können solche Pläne folgende Punkte umfassen: Sicherheitsvorkehrungen; die Einhaltung der einschlägigen behördlichen Vorschriften; Plattformen für die täglichen Aktivitäten und die Kommunikation; sowie Erwartungen an alle Mitarbeiter – unabhängig davon, ob sie von zu Hause aus arbeiten oder nicht.

6. Nutzen Sie neue Technologien zu Ihrem Vorteil

Die Einführung modernster Technologien erhöht die Widerstandsfähigkeit Ihrer Lieferkette, indem sie die Sicherheit erhöht, die Verfahren verbessert, Dateneinblicke bietet, Hindernisse vorhersieht und die Verbraucher über den Status von Bestellungen informiert. Die Vorteile sind schier endlos. Mit automatisierter Technologie können Sie jederzeit nachverfolgen, wo sich jede Einheit in jedem Knotenpunkt befindet, was verhindert, dass Waren verlegt werden, die Lagerverwaltung verbessert und die Wahrscheinlichkeit menschlicher Fehler minimiert. Es gibt eine Vielzahl neuer Technologien, die genauer untersucht werden können. Dazu gehören IoT, künstliche Intelligenz, RFID, um nur einige zu nennen. Viele dieser Lösungen sind kostengünstig, skalierbar und wirklich einfach zu nutzen.

Schlussfolgerung

Die wirtschaftlichen Erschütterungen, die durch die Pandemie und den Konflikt in der Ukraine verursacht werden, legen aktuell immer noch viele Schwachstellen in den Lieferketten offen. Die Stärkung der Widerstandsfähigkeit Ihrer Unternehmenslieferketten wird Ihnen nicht nur helfen, die negativen Auswirkungen von COVID-19 und anderen Ursachen abzumildern, sondern auch Ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Ihr tatsächlicher Ãœberblick und Ihre Planung sollten 360° sein und einen sehr detaillierten Blick auf Lieferanten, Bestände, Arbeitsabläufe und Logistik beinhalten – so finden Sie die Schwachstellen und verbessern die Widerstandsfähigkeit Ihres Unternehmens.

lieferkette

Autorin:

Janine Wolff
Janine ist Betriebswirtin und Designfan, lebt Ihre Leidenschaft fürs Bloggen & Reisen, und ist unser kreative Social Media Managerin bei Saloodo!.

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