Es gibt kaum eine komplexere Abfolge von Herstellungs- und Vertriebsvorgängen als die der Halbleiterlieferkette. Unzählige Schritte bestimmen die Lieferkette; von der Materialbeschaffung über die Herstellung der Siliziumwafern, bis zur Montage und Prüfung der Chips und Prozessoren, nicht zuletzt der weltweite komplexe Versand der Mikrochips.
Erschwerend kommt hinzu, dass im Halbleitersektor sehr kapitalintensive Fertigungsmethoden, ein volatiles Rohstoffmanagement und der Transport von hochwertigen, sensiblen Gütern zum Einsatz kommen. All dies erfordert die Implementierung hochspezialisierter und eng aufeinander abgestimmter Logistikdienste zur Unterstützung jeder Komponente der Halbleiter-Wertschöpfungskette.
Aktuell sieht so es aus, dass jedes Unternehmen, das auf Halbleiter und die damit verbundenen Komponenten angewiesen ist, mindestens bis Ende 2022 mit Engpässen zu kämpfen haben wird.
Der logistische Aspekt in der Halbleiterlieferkette
Aufgrund des weltweiten Umfanges des Halbleitergeschäfts müssen die Logistik- und Transportkapazitäten jeden Kontinent und jedes Land bedienen, neben allen wichtigen Ballungsräumen aber auch unzugängliche und weit entfernte Regionen. Seit 2020 wird jedoch eine der größten Sorgen sein, ob die Lieferketten mit der wachsenden Nachfrage Schritt halten können.
Die Vorlaufzeiten für viele dieser Halbleiter liegen derzeit bei einem Jahr. Wie in den Wirtschafts- und Finanzmedien ausführlich berichtet wurde, haben Automobil- und LKW-Hersteller in aller Welt ihre Produktion aufgrund des Halbleitermangels reduziert. Die meisten dieser Hersteller haben angegeben, dass sie ihre Ziele für 2021 verfehlt haben und dies auch im Jahr 2022 tun werden. Und es ist nicht nur die Automobilindustrie, die in Gefahr ist. Es wird erwartet, dass alles von Elektronik über medizinische Geräte bis hin zu Technologie- und Netzwerkausrüstungen von der Chip-Knappheit betroffen sein wird.
Die Halbleiter-Lieferkette: Eine Ãœbersicht
- Design: Es werden gerätespezifische oder Allzweck-Halbleiterchip-Designs erstellt.
- Â Fertigung (Front End): Nach einer Reihe von Fertigungsverfahren werden die Siliziumwafer in einzelne Chips zerlegt.
- Fertigung (Back End): In der Fertigungsstufe (Back End) werden die Chips gestapelt und in Gehäuse verpackt, die auf Leiterplatten montiert werden können. Auf die verpackten Chips werden dann eine Reihe von elektrischen und thermischen Bedingungen angewendet.
- Endprodukt-Integration: Die Chips werden von Elektronik- und Geräteherstellern integriert, um Endprodukte für die Verbraucher herzustellen.
- Verwendung: Das Endprodukt wird weltweit an Unternehmen, Einzelhändler und Verbraucher verschickt.
Der Teufelskreis des Halbleiter-Lieferkettenmangels
Um besser zu verstehen, woher die Halbleiterknappheit kommt und warum sie bestehen bleiben wird, müssen wir zwei Jahre zurückblicken: Im Jahr 2020 hatte die Halbleiterindustrie gerade einen längeren Abschwung überwunden und stand kurz vor einem kräftigen Wirtschaftsaufschwung. Doch dann tauchte Covid-19 auf, und vor allem die Automobilindustrie befürchtete eine schwächere Nachfrage. In der Tat brach der Fahrzeugabsatz im Frühjahr 2020 kurzzeitig ein. Fast panisch stornierten die Chefeinkäufer der Automobilfirmen ihre Aufträge an große Chiphersteller wie TSMC in Taiwan. Das sollte sich jedoch als folgenschwere Fehlkalkulation erweisen.
Große Nachfrage nach Unterhaltungselektronik
Denn plötzlich stieg die Nachfrage nach Autos wieder unvorhergesehen stark an. Doch die freigewordenen Fertigungskapazitäten in der Chipindustrie standen der Autoindustrie nicht mehr zur Verfügung. Sie waren längst an die Hersteller von Unterhaltungselektronik weitergereicht worden, die eine überdurchschnittliche Nachfrage verzeichneten, da die Menschen von zu Hause aus arbeiteten, zu Hause blieben und die Nachfrage nach Smartphones, Tablets, Laptops und Spielkonsolen sprunghaft anstieg. Infolgedessen waren die weltweiten Chipvorräte schnell aufgebraucht.
Naturkatastrophen und Brände
Die Situation wurde durch eine Verkettung unglücklicher Ereignisse noch verschärft: Im Februar 2021 waren Chip-Hersteller wie Samsung, NXP und Infineon gezwungen, den Betrieb einzustellen. Nach heftigen Schneestürmen war die Stromversorgung ausgefallen, und die Halbleiterfabriken konnten nicht mehr kontrolliert heruntergefahren werden. Dadurch wurden nicht nur die Produktionsanlagen, sondern auch infrastrukturelle Komponenten dieser Werke beschädigt. Auch in Japan kam es zu Ausfällen – verursacht durch Brände in Chipfabriken.
Doch damit nicht genug: Auch die Politik trug zur weltweiten Chip-Knappheit bei. Der damalige US-Präsident Donald Trump hatte sich vorgenommen, den weltweiten Einfluss chinesischer Hightech-Konzerne wie Huawei einzuschränken und verhängte unter anderem Sanktionen im Bereich der Chiptechnologie. In der Folge kauften chinesische Unternehmen in großem Stil noch verfügbare Chips und Fertigungsanlagen auf.
Hat die Halbleiterknappheit Auswirkungen auf den Straßengüterverkehr?
Für Automobil- und Truckhersteller bedeutet die aktuelle Situation, dass der Absatz von Neufahrzeugen allein aufgrund von Produktionsproblemen nicht so hoch sein wird, wie die Hersteller es sich eigentlich wünschen. Diese Tatsache verschärft das Kapazitätsproblem, das die Logistikbranche ohnehin schon hat. Aufgrund des EU-Mobilitätspakets, des anhaltenden Fahrermangels und des zunehmenden Defizits an neuen Lastkraftwagen gerät der Straßengüterverkehr ins Stocken.
Der weltweit zweitgrößte Hersteller von Lastkraftwagen, Volvo, erklärte, dass die Produktionsstätten „die Lkw-Produktion vorübergehend für fast einen Monat einstellen mussten“, während andere Hersteller wie Scandia ihre Werke in drei europäischen Ländern gleichzeitig für eine Woche schließen mussten. Eine Umfrage von Silf/Swedbank ergab, dass sechzehn Prozent der Unternehmen ihre Produktionspläne für das dritte und vierte Quartal 2021 wegen Materialmangels nach unten korrigiert haben.
Warum sind Halbleiter und Mikrochips so wichtig?
Die Bedeutung und den Einsatz von Halbleitern in unserer modernen Welt zu verstehen, ist manchmal schwierig. Aber unsere heutige Welt ist in hohem Maße von diesen winzigen Bauteilen abhängig. Das bekannteste Beispiel ist das Smartphone: Viele kleine Schaltkreise, die aus Millionen von Transistoren bestehen, sind auf wenigen Millimetern Silizium in einem Halbleiterbauelement zusammengepfercht, das als integrierter Schaltkreis (IC) oder Chip bezeichnet wird – dem Halbleiter. Für den Betrieb von elektronischen Geräten und für Berechnungen sind diese Halbleiterbauelemente unerlässlich. Infolgedessen sind Halbleiter nach Rohöl, Kraftfahrzeugteilen und raffiniertem Öl das weltweit am meisten gehandelte Produkt.
Ist ein Ende absehbar?
Diese Frage stellen sich Vorstandsetagen auf der ganzen Welt, ob in großen oder kleinen Unternehmen. Es ist die Frage, die derzeit Spediteure und Verlader rund um den Globus bewegt. Die Lieferketten haben Kapazitätsengpässe, und die Preise steigen weiter, weil die Menschen überproportional viel für Konsumgüter und weniger für Erlebnisse und Urlaube ausgeben. Der Druck stellt jede Vorhersehbarkeit auf den Kopf, was Materialverfügbarkeit, Frachtkosten, Arbeitskräftemangel, Containerknappheit und vieles mehr betrifft. Am besten fest anschnallen: Uns erwartet noch eine lange, holprige Fahrt, die noch weit bis in die Zukunft reicht.